Interview mit Hayal Kaya

Elena Baring (Hayal Kaya) ist als Touristin auf dem Bodensee unterwegs, wo sie ausgerechnet in eine Nostalgiefahrt geraten ist. Noch ahnt sie nicht, dass sie nur allzu bald als Untercoverpolizistin im Einsatz sein wird …
Elena Baring ist als Touristin auf dem Bodensee unterwegs, wo sie ausgerechnet in eine Nostalgiefahrt geraten ist. Noch ahnt sie nicht, dass sie nur allzu bald als Untercoverpolizistin im Einsatz sein wird … | Bild: SWR / Maria Wiesler

In »Seeland – Ein Krimi am Bodensee« spielen Sie die Kriminalhauptkommissarin Elena Barin, die in Konstanz eine neue Dienststelle antritt. Wie würden Sie Elena beschreiben?

Sie ist eine sehr intelligente, praktische, lösungsorientierte Frau, die mit sich und mit ihren Gefühlen im Reinen ist, sich aber nicht von ihnen beherrschen oder leiten lässt. Kompetent und einfühlsam ist sie auch noch. Mitgefühl und Feingefühl ergänzen Elenas starke Charaktereigenschaften. Sie hat alles im Griff und unter Kontrolle. Durch ihrer charmante und verständnisvolle Art kann sie sich gut in andere Leute hineinversetzen. Sie lässt ihren Verstand die Hauptrolle spielen.

Sie spielen in »Seeland« erstmal eine Hauptrolle in einem Fernsehfilm und das auch nicht in Ihrer Muttersprache. Was war dabei die größte Herausforderung für Sie?

Als Schauspielerin mit Theaterhintergrund und verschiedenen Hauptrollen im Theater weiß ich, wie man eine Hauptrolle von Anfang bis Ende trägt, dennoch möchte ich sagen, dass ich von der Unterstützung sowohl von meinem Coach Bettina Lohmeyer als auch von unserem Regisseur Holger Haase profitiert habe, um eine nicht muttersprachliche Rolle so zu spielen, als wäre es in meiner Muttersprache. Die Tatsache, dass Elena und ich viele Gemeinsamkeiten haben, hat mir auch sehr geholfen. Eine Rolle so zu spielen, als wäre es in der eigenen Muttersprache, diese Worte zu sprechen, die einem manchmal fremd sind und die man manchmal nicht in ihrer natürlichsten Form sprechen kann, und dies zu können, ohne die Natürlichkeit der Figur zu verlieren, war etwas, das viel Zeit und Anstrengung erforderte. Aber ich liebe Herausforderungen!

Elena stammt, wie Sie auch, aus der Türkei. Gibt es weitere Parallelen zwischen Ihnen und der Rolle Elena?

Es gibt definitiv Ähnlichkeiten zwischen Elena und Hayal. Die Rolle ist eine fiktive Person, die ich unter Anleitung des Buches und des Regisseurs erschaffen habe. Elenas Identität, die Tatsache, dass sie ihr Leben neu ordnen und neu anfangen will und dass es ihr trotz aller Widrigkeiten gelingt, kenne ich aus meinem eigenen Leben. Wir beide sind Überlebenskünstlerinnen. Das Leben mit der Kultur zweier verschiedener Länder ist ein Reichtum. Es vermittelt einem ein unglaubliches Verständnis und lässt einen die Menschen und das Leben aus einer völlig anderen Perspektive betrachten. Davon profitieren wir beide.

Die Dreharbeiten mit Elena spielen fast ausschließlich auf einem Ausflugsdampfer auf dem Bodensee. Wie haben Sie die Landschaft um den Bodensee empfunden? Und wie diesen speziellen Drehort?

Ich fühle mich am besten am oder im Wasser. Es war wie ein Traum für mich, meinen ersten Film auf dem Wasser und am Wasser zu drehen. Unsere Basis, wo alle Abteilungen waren, stand direkt am Wasser. Ich bin aus der Maske oder aus der Garderobe raus gekommen und durfte den Bodensee begrüßen. Der Bodensee schien uns unendlich zu sein, als wir auf dem Schiff waren. Die Schönheit der Konstanzer Innenstadt und die freundliche, gelassene Art der Einwohner haben erheblich dazu beigetragen, dass wir uns unheimlich wohl gefühlt haben.

Elena muss sich als erste transidente TV-Kommissarin in Konstanz in einer neuen Umgebung zurechtfinden. Wie ist es Ihnen ergangen, als Ihre Heimat verlassen haben und in Deutschland ein neues Zuhause gefunden haben?

Ich habe die Türkei 2013 verlassen. Meine Identität war dafür nicht der einzige Grund. Ich konnte die Schritte hören, dass die derzeitige Politik noch rücksichtsloser gegen eine marginalisierte Randgruppe vorgehen würde. Tatsächlich sind die CSDs oder gar Demos in der Türkei nicht mehr ohne Tränengas oder Polizeigewalt denkbar. Ich spürte schmerzlich, dass in dem Land, in dem ich geboren und aufgewachsen war, kein Platz mehr für mich war. Deutschland wurde zu meinem neuen Zuhause und meiner Heimat. Das Lied von Hildegard Knef »In dieser Stadt« ist mein Soundtrack des Lebens geworden. Leider haben die Menschen nicht die Freiheit, sich einige Dinge auszusuchen. Sie können sich nicht aussuchen, in welchem Land sie geboren werden, ob ihre Seele und ihr Körper zueinander passen oder nicht. Aber ich glaube nicht an die Machtlosigkeit des Jammerns, ich glaube an die Macht der Veränderung. Deutschland spielt für mich die entscheidende Rolle in meinem Selbstverwirklichungsprozess. Identität ist kein Thema, über das man diskutieren sollte. Es ist eine Art des Seins. Man kann einem Menschen nicht die Frage stellen, warum bist du so, wie du bist? Ich bin, wie ich bin, und es ist gut so! wäre die einzige vernünftige Antwort. Deshalb macht es mir Hoffnung, dass Deutschland beim Thema Vielfalt und Diversität große Fortschritte macht. Ich hoffe, dass die Länder, die mit diesem Problem zu kämpfen haben und lieber grausam als verständnisvoll sind, dies eines Tages erkennen werden. Es ist sehr wichtig, zu kommunizieren und den Reichtum der Vielfalt zu genießen. Ich hoffe, dass Hayal und Elena einen positiven Beitrag zu dieser Vielfalt leisten und viele Vorurteile dadurch abgebaut werden können.

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