So., 26.03.23 | 23:05 Uhr
Das Erste
Depeche Mode – die populärste Elektro-Band aller Zeiten
28. Mai 1996. Sunset Marquis Hotel. West Hollywood. Ein Heroin-Kokain-Speedball. Dave Gahan ist zwei Minuten lang klinisch tot. "Für mich war da: nichts. Darüber hinaus kann ich nichts sagen", erinnert sich Dave Gahan. "Da war nichts. Ich mache immer Witze und sage: 'Ich hoffe, dass es noch etwas Erstaunlicheres gibt als das Leben jenseits des Lebens.' Aber das wäre dann schon sehr gierig. Wenn das das Ende war, dann war es wie das Ende einer Batterie. Es war einfach aus. Und ich weiß, dass es falsch von mir war, dass ich versucht habe, diese Entscheidung selbst zu manipulieren."
Gedenken an verstorbenes Bandmitglied

Notärzte holen ihn zurück ins Leben. Über die Momente vor dem Tod hat Dave Gahan sein bislang bestes Lied für Depeche Mode geschrieben: "Speak to me". Mit Textzeilen wie: "Ich werde dich enttäuschen. Ich werde dich im Stich lassen."
"Memento Mori", das neue, 15. Studio-Album von Depeche Mode. "Sei dir der Sterblichkeit bewusst". Lieder über den Tod. Und über das Geisterwesen des Lebens. Andrew Fletcher, der dritte Mann, starb überraschend im Mai 2022 an einem Aorten-Riss. "Sein Tod hat uns geschockt. Ich werde den Anruf nie vergessen. Unser Manager rief mich an", sagt Dave Gahan. "Nur sechs Wochen später war geplant, dass wir das Album aufnehmen", sagt Marin Gore. "Es war schrecklich."
Verbindung des Sakralen mit dem Monolithischen

Im Gedenken an Fletcher zitieren sie im Video zur Single "Ghosts Again" den Spielfilm "Das siebente Siegel" (1957) von Ingmar Bergman. Der Tod als Schachspieler, der nicht zu überlisten ist. In der Video-Fortführung von Depeche Mode spielt der Tod Schach. Gegen sich selbst. Ingmar Bergmans Parabel auf den Atomkrieg könnte nicht heutiger sein.
"Personal Jesus". Diesen Song hat sogar Johnny Cash gecovert. Depeche Mode verbinden seit jeher das Sakrale mit dem Monolithischen. "Wir kamen aus einer ziemlich provinziellen Stadt in England. Als wir anfingen, waren wir sehr jung", sagt Martin Gore. "Und die einzige Richtung, in die es gehen konnte, war nach oben. Wir mussten wachsen."
In der christlichen Jugendgruppe fing alles an

In Basildon in der Grafschaft Essex, nordöstlich von London, trafen sie sich in einer christlichen Jugendgruppe. "Das Punk-Ding hat uns sehr interessiert", sagt Dave Gahan. "Diese Idee, dass wir etwas machen können und nicht als Musiker super versiert sein müssen, aber gute Ideen und Songs haben müssen. Wir folgten dieser Philosophie und traten auf. Wir hatten damals eine kleine Anhängerschaft und spielten in all diesen Clubs und kleinen Kneipen und so. Wir wollten die Dinge einfach am Laufen halten."
Brummkreiselnde Melodien und unglaubliche Lebensgier. "So um 1983/84 herum waren wir auch schon wieder desillusioniert von der ganzen geschäftlichen Seite", sagt Dave Gahan. "Von dem, was die Musikindustrie zu der Zeit glaubte zu sein. Wir waren dauernd unter Druck uns noch etwas Besseres einfallen zu lassen. Einen Hit."
Das Leben in vollen Zügen genießen

Absichtslos werden Depeche Mode zur politischen Band. Singen davon, dass alle Menschen gleich sind. Oder dass der Kapitalismus im Kleinen alles aufkratzt, um groß und gefährlich zu werden. Heute leben Dave Gahan und Martin Gore an Ost- und Westküste der USA. Zwischen sich ein Kontinent. Sich anzunähern ohne den Katalysator Andrew Fletcher ist ein Abenteuer. "Irgendwann wird alles zu Ende gehen. Für jeden", sagt Dave Gahan. "In der westlichen Welt ignorieren wir das oder wir schieben es irgendwie weg. Aber der Tod wird uns alle holen. Wir erinnern uns ständig daran, dass wir unser Leben in vollen Zügen genießen müssen."
"Memento Mori" ist das große Depeche Mode Album, auf das man nicht zu hoffen wagte. Die warm pumpende Maschine. Ein Herz mit Drähten.
TIPPS
Depeche Mode: "Memento Mori", Columbia Records
Depeche Mode Deutschland-Tour, von 26. Mai bis 9. Juli 2023
"Das siebente Siegel", Schweden 1957, Regie: Ingmar Bergman, Arthaus (DVD/Blu-ray)
Autor: Andreas Krieger
Stand: 26.03.2023 18:18 Uhr
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