So., 22.05.22 | 13:15 Uhr
Das Erste
Die katholische Kirche in der Krise
Austritt oder Engagement
Missbrauch, Reformstau, Austrittswellen – wie gehen Katholikinnen und Katholiken mit der Krise der katholischen Kirche um? Der Film präsentiert Stimmen aus dem Kirchenvolk und dokumentiert, warum die einen austreten und die anderen sich „von innen“ für Reformen und Wandel in der katholischen Kirche einsetzen.
Johannes zu Eltz schreibt jedes Jahr knapp 800 Briefe – an Menschen, die aus der katholischen Kirche austreten wollen. Tendenz steigend. Mit den hohen Zahlen und dem Trend will sich der Frankfurter Stadtdekan nicht zufriedengeben. Er fragt nach Gründen und Motiven, versucht, noch einmal ins Gespräch zu kommen. Auch wenn es oft vergebliche Mühe ist. Heute gehören noch rund 50 Prozent der Bundesbürger der evangelischen oder katholischen Kirche an. Ende der 1950er Jahre waren es noch 90 Prozent. Wie gehen Katholikinnen und Katholiken mit dieser Situation um, welche Antworten haben sie auf die Krise ihrer Kirche?
Die Dokumentation begleitet Menschen, die ausgetreten sind oder die ganz bewusst bleiben und die Kirche „von innen“ verändern wollen. Eine von ihnen ist Monika Humpert von der Reformbewegung „Maria 2.0“. Angesichts der Studien zu sexuellem Missbrauch durch Priester und Vertuschung der Taten sagt sie: „Uns geht es darum, ein Zeichen zu setzen: So geht es nicht weiter.“ Mit einem Schuss Heiterkeit und vor allem mit Beharrlichkeit fordert sie Veränderungen, verheiratete Priester und mehr Gleichberechtigung für Frauen in der Kirche.
Solche Forderungen gibt es schon lange. Der Vertrauensverlust, stellt der Münsteraner Religionssoziologe Detlef Pollack fest, ist enorm: „Ich glaube, dass die Verantwortlichen der Kirche einen sehr langen Weg gehen müssen, um das Vertrauen der Gläubigen wiederzugewinnen.“ Die Autorin und Katholikin Ricarda Moufang hat die Hoffnung aufgegeben und ist aus der Kirche ausgetreten. „Ich empfand das nicht als Verlust. Ich war innerlich zerrissen und habe diese Situation beendet“, erzählt sie. Ihren Glauben hat sie nicht verloren und gibt weiterhin Exerzitienkurse in einem franziskanischen Zentrum. Auch der Kasseler Ex-Religionslehrer Jürgen Wagener wollte mit seinem Austritt 2017 „ein Zeichen setzen“, denn er ist überzeugt: „Die Kirche steht in ihrer Rechtskonstitution, wie wir sie heute haben, nicht mehr auf dem Boden der Verkündigung Jesu Christi.“ Seiner Gemeinde blieb er verbunden, wo er heute noch als Kantor wirkt.

Daniela Ordowski dagegen will bleiben und für Reformen eintreten, „solange ich das Gefühl habe, noch etwas verändern zu können.“ Die Politikwissenschaftlerin aus Bonn steht an der Spitze der Katholischen Landjugendbewegung (KLJB) und will die Kirche „zukunftsfähig machen“. Ebenso wichtig ist es ihr, als Katholikin sich in gesellschaftliche Debatten einzubringen. Zum Beispiel beim Klimaschutz: „Ich glaube, dass die katholische Kirche in puncto Klimaschutz eine sehr starke Stimme sein kann.“
Exklusiv für diese Dokumentation wird der Hamburger Karikaturist Til Mette, der unter anderem für das Magazin „Stern“ arbeitet, Karikaturen entwerfen und einen satirischen Blick auf die Lage der KatholikInnen und der katholischen Kirche in Deutschland werfen.
Im Vorfeld des 102. Deutschen Katholikentags, der vom 25. Mai bis 29. Mai 2022 in Stuttgart stattfindet, erzählt der Film vom Ringen von Menschen um das eigene katholische Selbstbewusstsein angesichts der Austrittswellen und einer schwindenden gesellschaftlichen Bedeutung – und vor allem von Menschen, die sich für einen Wandel innerhalb der katholischen Kirche einsetzen.
Ein Film von Bernd Seidl
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