Faktencheck zur Wahlarena mit Armin Laschet am 15.9.2021

Von Petra Nicklis, Tom Klees und Simone Thies
Entwicklungshilfe
Zu Beginn der ARD-Wahlarena fragte eine Zuschauerin Armin Laschet nach den Ausgaben für die Entwicklungszusammenarbeit. Deutschland habe sich verpflichtet 0,7 Prozent des Bruttosozialproduktes [heute: Bruttonationaleinkommen] dafür auszugeben.
Armin Laschet betonte, dass die Ausgaben für die Entwicklungszusammenarbeit "die letzten Jahre (…) sehr deutlich angestiegen" seien. Und weiter sinngemäß, man arbeite weiter daran, das 0,7-Prozent-Ziel zu erreichen.
Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit (Quelle: BMZ)
2010: 0,39 % des Bruttonationaleinkommens (BNE)
2011: 0,39 % des BNE
2012: 0,37 % des BNE
2013: 0,38 % des BNE
2014: 0,42 % des BNE
2015: 0,52 % des BNE
2016: 0,70 % des BNE
2017: 0,67 % des BNE
2018: 0.61 % des BNE
2019: 0,61 % des BNE
2020: 0,73 % des BNE (vorläufige Quote)
Eine Sprecherin des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sagte, dass Deutschland für 2020 wahrscheinlich eine Quote von 0,73 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungszusammenarbeit ausgegeben habe. Seit April dieses Jahres laufe eine Prüfung, deren finales Ergebnis Ende des Jahres bekanntgegeben werden solle.
Was wird aktuell unternommen, um auch zukünftig das 0,7-Prozent-Ziel zu erreichen?
Dazu sagt das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: "Das 0,7-Prozent--Ziel für Entwicklung ist für die nächsten Jahre nicht gesichert. Die vom Bundesfinanzministerium vorgelegte Finanzplanung für die kommenden Jahre sieht einen Rückgang der Entwicklungsmittel um rund 20 Prozent vor. Die Ziele 'Eine Welt ohne Hunger' und das 1,5 Grad Ziel beim Klimaschutz wären so deutlich schwieriger zu erreichen."
Früher Bruttosozialprodukt, heute Bruttonationaleinkommen. Warum?
Ein einfacher Systemwechsel sei der Grund, wie das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung mitteilt. "Aufgrund von Änderungen des internationalen Systems der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (System of National Accounts, SNA) wurde 1993 das Bruttosozialprodukt durch das Bruttonationaleinkommen (BNE) abgelöst.”
Fazit:
Von 2010 (0,39 % des BNE) bis 2020 (vorläufige Quote 0,73 % des BNE) sind die Ausgaben für die Entwicklungszusammenarbeit gestiegen. 2016 wurde das 0,7-Prozent-Ziel der Bundesregierung definitiv erreicht. In den folgenden Jahren gingen die Ausgaben wieder zurück, um dann aller Voraussicht nach 2020 das Ziel sogar mehr als zu erfüllen. Allerdings wird es wohl zukünftig wieder weniger Geld für Entwicklung geben, jedenfalls nach Meinung des zuständigen Ministeriums.
Nebenverdienste von Bundestagsabgeordneten
Eine Zuschauerin fragte, wie Bundestagsabgeordnete ihre Nebentätigkeiten versteuern müssten und wie Abgeordnete die Zeit aufbrächten, neben ihrer Haupttätigkeit eine Nebentätigkeit auszuüben.
Armin Laschet sagte dazu:
"Jetzt kommen die Abgeordneten. Wenn die nebenher verdienen, müssen die das ganz normal versteuern (…) Was ich ganz schrecklich finde, wenn jemand, und das haben wir erlebt rund um die Maskenaffäre, jemand in den Bundestag kommt und dann eine Beratungsfirma gründet und über die Beratungsfirma Dinge abrechnet (…) Jetzt kommt aber der andere Fall: Ein Bäckermeister geht in den Bundestag, ein Handwerker, ein Metzger. Irgendjemand, der in einem Beruf steht, geht in den Bundestag. Vier Jahre später fliegt er wieder raus, wenn die Wahl anders ausgeht. Und dessen (gemeint ist: seine) Bäckerei will er natürlich beibehalten. Und da muss eine Rückkehr in den Beruf möglich sein."
Hintergrund
Besteuerung und Meldepflicht von Nebeneinkünften
Abgeordnete erhalten für ihre Tätigkeit im Bundestag sogenannte Diäten – eine Art Gehalt für Abgeordnete. Seit dem 1. Juli 2021 liegen die Diäten für Bundestagsabgeordnete bei 10.012,89 Euro brutto im Monat. Diese Diäten müssen, wie andere Gehälter, versteuert werden. Hinzu kommt eine steuerfreie Aufwandspauschale von 4.560,59 Euro monatlich.
Zahlreiche Abgeordnete beziehen zusätzlich Nebeneinkünfte, etwa für Beratertätigkeiten. Diese Nebeneinkünfte unterliegen der Einkommenssteuer und sind darüber hinaus meldepflichtig. Solche Einkünfte sind ab einem monatlichen Betrag von 1000 Euro oder einem jährlichen Betrag von 3000 Euro anzeigepflichtig. Die veröffentlichungspflichtigen Angaben lassen sich in den Biografien der jeweiligen Abgeordneten auf www.bundestag.de nachlesen.
Wie hoch ist der Nebenverdienst von Abgeordneten?
Laut einer Studie der gewerkschaftsnahen Otto-Brenner-Stiftung gingen mit 261 Parlamentariern rund ein Drittel aller Bundestagsabgeordneten einer bezahlten Nebentätigkeit nach. Betrachtet man die einzelnen Fraktionen, so belegt die FDP einen Spitzenplatz: 62 Prozent der FDP-Bundestagsabgeordneten gehen einer bezahlten Nebentätigkeit nach. Bei der Union sind es 43 Prozent, bei der AfD 32 Prozent und bei Die Linke sind es 26 Prozent. Die geringsten Anteile weisen SPD mit 22 Prozent und Bündnis 90/Die Grünen mit 21 Prozent auf. Die Summe der Nebeneinkünfte in der aktuellen 19. Legislaturperiode beläuft sich laut der Studie auf knapp 53 Millionen Euro. In der 17. Legislaturperiode (2009-2013) habe diese Summe noch 30 Millionen betragen.
Quellen:
Zwangsrente mit 63 für Langzeitarbeitslose
In der Sendung schilderte eine langzeitarbeitslose Frau, dass ihr womöglich mit 63 die Zwangsrente drohe, falls sie weiterhin keine Arbeit finde.
Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet gab sich in ihrem Fall optimistisch. Qualifizierte Arbeitskräfte würden oft gesucht.
Wir gehen der Frage nach, ob eine Zwangsrente mit 63 überhaupt möglich ist.
Der Leiter der Forschungsabteilung "Arbeitszeit und Arbeitsorganisation" an der Universität Duisburg Essen, Professor Thomas Haipeter, bestätigt, dass es möglich ist, "nach 35 oder 45 Berufsjahren und bei vollem ALG-II-Bezug" die Zwangsrente mit 63 zu bekommen. Professor Haipeter weiter: "Allerdings kann man das verweigern, wenn z.B. die künftige Rente durch Grundsicherung aufgestockt werden müsste oder man versichern kann, dass man demnächst einen Job über Minijobniveau bekommt."
Die "Deutsche Rentenversicherung Bund" führt dazu aus:
"Das Sozialgesetzbuch II (Grundsicherung für Erwerbsfähige) regelt, dass Bezieher von Arbeitslosengeld II vom zuständigen Leistungsträger, beispielsweise Jobcenter, verpflichtet werden können, eine Altersrente auch vorzeitig mit Abschlägen ab dem 63. Lebensjahr zu beantragen.
In einer sogenannten Unbilligkeitsverordnung vom 4. Oktober 2016 wurde festgelegt, in welchen Fällen Bezieher von Arbeitslosengeld II nicht von ihrem Leistungsträger aufgefordert werden dürfen, eine solche Rente zu beantragen. Beispielsweise dürfen Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld II nicht zur Beantragung einer vorgezogenen Altersrente mit Abschlägen verpflichtet werden, wenn die Höhe dieser Rente zur Bedürftigkeit, also zum Bezug von Grundsicherungsleistungen im Alter, führen würde. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn 70 Prozent der zu erwartenden Altersrente bei Erreichen der regulären Altersgrenze den aktuellen SGB-II-Regelbedarf des Betroffenen unterschreitet. Eine verbindliche Aussage hierzu treffen ausschließlich die Agentur für Arbeit, das Jobcenter bzw. die Optionskommune."
Link:
Maßnahmen gegen Diskriminierung
Eine Zuschauerin fragte Armin Laschet, ob er für oder gegen ein Bundesantidiskriminierungsgesetz sei und wie er sicherstellen wolle, dass sich von Rassismus betroffene Menschen gegen die Diskriminierung im Alltag in Institutionen und in unseren Behörden zur Wehr setzen könnten.
Armin Laschet sagte dazu unter anderem:
"Wir haben auf der Bundesebene die Antidiskriminierungsstelle. Eine meiner früheren Mitarbeiterinnen hat die mal einige Jahre geleitet. Und die hat mir oft Dinge erzählt, was Menschen erfahren, wenn sie eine Wohnung suchen, wenn sie ganz normale Dinge machen (…) Ich werde ein Bundeskanzler sein, der in diesen Fragen sich mit jedem anlegt, der Rassismus predigt, in Verwaltungen in irgendeiner Form äußert oder andere wegen ihrer Herkunft bekämpft."
Hintergrund: Gesetzliche Regelungen gegen Diskriminierung
Die von Armin Laschet erwähnte Antidiskriminierungsstelle des Bundes wurde im Zuge des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) von 2006 eingeführt. Das AGG dient der Umsetzung von Europäischen Richtlinien, unter anderem der Richtlinie 2000/43/EG.
Alexander Tischbirek, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Regensburg, weist in diesem Zusammenhang auf rechtliche Lücken hin: "Mit einigen Ausnahmen gelingt die Richtlinienumsetzung im AGG auch ganz gut. Allerdings handelt es sich beim AGG um ein Bundesgesetz, das als solches nur die Materien erreicht, die auch in der Gesetzgebungskompetenz des Bundes liegen – insbesondere das Arbeitsrecht und das Zivilrecht. Beispielsweise der Bereich der öffentlichen Bildung – die öffentlichen Schulen, Hochschulen, Kindergärten – liegt jedoch in der Kompetenz der Länder und wird deshalb vom AGG nicht erreicht. Hier müssen die Länder entsprechende Regelungen in eigenen Landesgesetzen erlassen, um die Vorgaben der EU-Antirassismusrichtlinie umzusetzen."
Berlin als Vorbild?
Seit dem 21. Juni 2021 ist in Berlin das Landes-Antidiskriminierungsgesetz (LADG) in Kraft. Ziel des Gesetzes ist es, Personen vor Diskriminierung durch Behörden zu schützen. Es deckt somit einen Bereich ab, der nicht durch das AGG geschützt ist. Konkret geht es etwa um Diskriminierung im Bildungswesen oder Racial Profiling durch die Polizei. Laut einer Umfrage des Mediendienstes Integration könnten weitere Bundesländer nachziehen. So haben sich die Koalitionen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg darauf geeinigt, ein solches Gesetz auf den Weg zu bringen. Andere Bundesländer, wie Bayern oder Sachsen-Anhalt, sehen derzeit keine Notwendigkeit für ein LADG und verweisen auf das Diskriminierungsverbot im Grundgesetz.
Zu der Frage nach einem möglichen Bundesantidiskriminierungsgesetz sagte Armin Laschet:
"Ja, da muss man schauen, was man da reinschreibt. Rassismus ist ja verboten. Wer eine Wohnung jemandem nicht gibt, aus rassistischen Gründen, wird bestraft. Wir haben ja viele Vorschriften, die auf viele Gesetze gestreut sind. Ob man das bündeln kann, wie man das bündeln kann, ob man die Antidiskriminierungsstelle stärken kann? Die könnte eine Stärkung vertragen, ich sage es mal so."
Hintergrund: Verweigerung der Wohnraumvermietung aus rassistischen Gründen
Laut dem Juristen Alexander Tischbirek mache sich derzeit jemand, der aus rassistischen Gründen die Wohnraumvermietung verweigert, nicht strafbar: "Es besteht nur gegebenenfalls ein zivilrechtlicher Schadensersatzanspruch nach dem AGG." Anders als im Strafrecht helfen dabei aber weder die Polizei noch die Staatsanwaltschaft. "Vielmehr muss das Diskriminierungsopfer selbst anwaltlichen Rat einholen, vor den Zivilgerichten Klage erheben, die erforderlichen Beweise beibringen und auch das Risiko eines verlorenen Prozesses tragen", so Tischbirek. In der Praxis komme es kaum zu solchen Prozessen.
Quellen:
www.mediendienst-integration.de
www.eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2000:180:0022:0026:de:PDF
Frauenhäuser
Eine Publikumsfrage bezog sich auf die Situation der Frauenhäuser im Land. Die sei –sinngemäß- so unterschiedlich wie ein "Flickenteppich". Ein bundesweiter Rechtsanspruch könne das ändern.
Armin Laschet sagte dazu, der Bund könne gesetzliche Rahmenbedingungen schaffen. Die Länder müssten finanzieren und einem solchen Gesetz im Bundesrat zustimmen.
Wir schauen uns die Lage der Frauenhäuser an.
Eine Sprecherin des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) betont, dass "die Verantwortung und finanzielle Absicherung" der Frauenhäuser "in erster Linie bei den Bundesländern" liege. Gemeinsam mit den Kommunen kämen sie dieser Aufgabe seit vielen Jahren nach.
Bei der Finanzierung würden die Länder allerdings "unterschiedliche Wege" einschlagen:
"In manchen Bundesländern werden Frauenhäuser vollständig aus Landes- und/oder kommunalen Haushaltsmitteln finanziert. In den meisten Bundesländern gilt dabei jedoch ein Finanzierungsmix aus Zuwendungen des Landes und ggf. der Kommunen an die Einrichtungen sowie anteilig aus Tagessätzen, mit denen die Kosten der Unterkunft und teilweise auch der psychosozialen Beratung abgedeckt werden; diese Tagesätze fallen dann grundsätzlich für die jeweiligen Nutzerinnen (mit ihren Kindern) an. In den allermeisten Fällen besteht dann ein Anspruch der Frauenhausnutzerin auf (vollständige oder überwiegende) Kostenübernahme für diese Tagessätze nach dem SGB II oder anderen sozialleistungsrechtlichen Grundlagen."
Dazu Elisabeth Oberthür von der Frauenhauskoordinierung in Berlin:
"Die Träger von Frauenhäusern […] haben keine verlässliche Finanzierungsgrundlage. Mittel von Ländern und Kommunen sind in der Regel freiwillige Leistungen, die abhängig von Haushaltslagen gezahlt und jederzeit gekürzt werden können. Die Finanzierungslandschaft der Frauenhäuser […] in Deutschland gleicht einem Flickenteppich: Finanzierungsquellen sind Landesmittel und kommunale Mittel, dazu kommen Kostenbeteiligungen von Frauen sowie Eigenmittel der Träger, unter anderem Spenden und Bußgelder."
Wer zahlt den Platz im Frauenhaus?
Laut Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend stellt grundsätzlich das Frauenhaus gemeinsam mit der schutzsuchenden Frau einen Antrag auf Kostübernahme beim Jobcenter oder bei der Kommune.
"Aus der Praxis der Frauenhäuser wird berichtet, dass es – je nach zugrundeliegendem Finanzierungsmodell - den Frauenhäusern nicht immer gelingt, eine solche Kostenklärung z.B. für Azubis, Studentinnen oder bestimmte Gruppen von Migrantinnen zu bewerkstelligen; wenn keine andere Finanzierungsmöglichkeit besteht, kann dies im Einzelfall dazu führen, dass Frauen nicht aufgenommen werden oder einen entsprechenden Eigenanteil der Kosten tragen müssen."
Elisabeth Oberthür von der Frauenhauskoordinierung kennt die Probleme, die sich aus der Finanzierungspraxis ergeben können:
"In vielen Kommunen wird der Aufenthalt im Frauenhaus über Leistungsansprüche der Frauen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB II, SGB XII) finanziert. Doch diese Form der Finanzierung ist problematisch, weil sie Gruppen von Frauen ausschließt oder die Hilfen beschränkt. Das betrifft zum Beispiel EU-Bürgerinnen, Studentinnen, Auszubildende und Asylbewerberinnen oder Frauen mit Einkommen. Frauen ohne Leistungsansprüche nach dem Sozialgesetzbuch können nur dann Schutz und Hilfe in Anspruch nehmen, wenn sie für die Kosten von Beratung und Unterkunft im Frauenhaus selbst aufkommen."
Runder Tisch
Am 27.05.2021 hat der Runde Tisch von Bund, Ländern und Kommunen "Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen" Bilanz gezogen. Erstmals hätten sich, so das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, "der Bund und eine breite Mehrheit der Länder und der Kommunalen Spitzenverbände für eine bundesgesetzliche Regelung zur Sicherstellung des Zugangs zu Schutz und Beratung bei geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt bundesweit ausgesprochen.
Das Positionspapier "Schutz und Beratung bei Gewalt bundesweit sicherstellen - Gemeinsame Position für eine bundesgesetzliche Regelung" sei beschlossen worden. Zukünftig solle "der Zugang zu Schutz und Beratung bei geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt bundesweit gewährleistet werden. Außerdem soll ein einheitlicher Rahmen für die finanzielle Absicherung der Arbeit von Frauenhäusern und ambulanten Hilfs- und Betreuungseinrichtungen geschaffen werden. Das Positionspapier soll die Grundlage für einen noch auszugestaltenden Gesetzentwurf in der kommenden Legislaturperiode bilden."
Elisabeth Oberthür von der Frauenhauskoordinierung setzt sich "für eine bundesgesetzliche Regelung zu einem Rechtsanspruch auf Schutz und Hilfe bei Gewalt ein." Außerdem sollen "Betroffene […] unabhängig davon, aus welchen Kommunen oder Bundesländern sie kommen, bundesweit Hilfeeinrichtungen aufsuchen und Leistungen geltend machen können […], unabhängig von Einkommen und Vermögen, Herkunftsort, Aufenthaltsstatus und Gesundheitszustand der betroffenen Frauen. Die Hilfen müssen für die betroffenen Frauen und ihre Kinder ohne eigenen finanziellen Einsatz geleistet werden."
Ob der Rechtsanspruch komme, hänge auch stark mit dem Ausgang der Bundestagswahl ab, fasst Oberthür die Situation zusammen.
Links:
https://www.gemeinsam-gegen-gewalt-an-frauen.de
Klimapolitik
Im weiteren Verlauf der Sendung fragte eine Klimaaktivistin von Fridays for Future nach den Sofortmaßnahmen, die Armin Laschet im Falle seiner Kanzlerschaft umsetzen würde und kritisierte die Klimapolitik Laschets als Ministerpräsident in NRW. Sie hielt Laschet folgende Punkte vor: "Sie blockieren immer noch den Ausbau von Erneuerbaren Energien in NRW zum Beispiel durch die Windkraftanlagen-Abstandsregelung. Sie haben den Hambacher Forst, die Aktivisten dort, räumen lassen. Illegalerweise. Sie haben im Jahr 2020 das Kohlekraftwerk Datteln IV ans Netz gehen lassen."
Armin Laschet sagte zur Räumung des Hambacher Forsts:
"Wenige Monate bevor ich Ministerpräsident wurde, gab es in NRW eine rot-grüne Regierung, SPD und Grüne. Die haben beschlossen, bis 2045 soll Braunkohle abgebaut werden, die haben zwei große Tagebaue genehmigt. Garzweiler und den Hambacher Forst. Und haben vorgesehen, den Hambacher Forst abzuroden. Der hatte 4100 Hektar früher. Als ich ins Amt kam waren 3900 schon weg. Durch andere Parteien, die da regiert haben (…) Meine Regierung hat den Hambacher Forst gerettet."
Hintergrund
Armin Laschet äußerte sich nicht zum Vorwurf, dass er den Ausbau von Erneuerbaren Energien in NRW durch eine Windkraftanlagen-Abstandsregelung blockiere. Am 15. Juli 2021 ist eine Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Baugesetzbuch in Kraft getreten. Demnach müssen in NRW Windenergieanlagen einen Abstand von 1000 Metern zu Wohngebäuden in "Gebieten mit Bebauungsplänen (§ 30 BauGB) und innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile (§ 34 BauGB), sofern dort Wohngebäude nicht nur ausnahmsweise zulässig sind" oder zu Wohngebäuden "im Geltungsbereich von Satzungen nach § 35 Absatz 6 BauGB" einhalten. Eine solche Regelung reduziert die potentielle Fläche für Windenergieanlagen.
Die Genehmigungsverfahren für den Tagebau Garzweiler II gehen auf das Jahr 1995 zurück. Damals wurde NRW von der SPD regiert. Die Genehmigungsverfahren für den Tagebau Hambach gehen auf das Jahr 1977 zurück, zu dieser Zeit wurde NRW von SPD und FDP regiert. Die rot-grüne Landesregierung, die dem Kabinett Laschet voranging, hatte – wie auch alle anderen Regierungen – an diesen Plänen festgehalten und keine Ausstiegszeit vor 2045 festgelegt.
Der Energieversorger REW rodet den Hambacher Forst seit den 1970er Jahren. Mittlerweile ist die Fläche des Hambacher Waldes von 4100 Hektar in den 1970er Jahren auf 200 Hektar geschrumpft. Im Herbst 2018 kam es im Hambacher Forst zu einem großen Polizeieinsatz, bei dem der von Aktivisten besetzte Wald geräumt wurde. Kurz darauf verfügte das Oberverwaltungsgericht in Münster einen vorläufigen Rodungsstopp im Hambacher Forst. Die Behauptung, dass die von Armin Laschet geführte Regierung den Hambacher Forst gerettet habe, ist in diesem Zusammenhang falsch. Am 12. September 2021 entschied das Kölner Verwaltungsgericht, dass die Räumung des Hambacher Forstes vor drei Jahren rechtswidrig war. Angesprochen auf dieses Urteil sagt Armin Laschet in einem Interview mit dem Deutschlandfunk, er wolle "noch einmal die ganze Sache rechtlich prüfen lassen".
Quellen:
www.recht.nrw.de/lmi/owa/br_bes_text?anw_nr=2&gld_nr=2&ugl_nr=232&bes_id=29504
www.land.nrw/sites/default/files/asset/document/lep_nrw_04072016.pdf
www.tagesschau.de/regional/nordrheinwestfalen/hambacher-forst-255.html
Armin Laschet zu seiner Rolle im Kohleausstieg:
"Ich habe Anfang der 90er Jahre Al Gore gelesen, der uns das damals schon gesagt hat. Weil das so brennend ist, muss etwas passieren. Deshalb habe ich den Kohleausstieg mitverhandelt, der jetzt kommt."
Hintergrund
Im Zusammenhang mit dem Kohleausstieg kam es Anfang 2020 zu einer Bund-Länder-Einigung. Insofern stimmt es, dass Armin Laschet den Kohleausstieg mitverhandelt hat.
Quelle:
Armin Laschet zu seinem 100-Tage-Sofortprogramm:
"Die ersten 100 Tage, da müssen wir uns darauf konzentrieren, alles das, was Sie gefordert haben und was ich beschrieben habe, schnell umzusetzen. Und dafür brauchen wir schnellere Plan- und Genehmigungsverfahren. Das dauert alles viel zu lange. Wenn Sie sagen ‚nicht mehr so viel fliegen, wir brauchen schnellere Bahnstrecken, die Leute sollen umsteigen‘, ja dann müssen wir die auch bauen. Und das dauert in Deutschland alles 20 Jahre oder 25 Jahre eh sowas in Gang kommt."
Hintergrund
Armin Laschets Aussage zur Dauer der Planung und des Baus einer Bahnstrecke stimmt. "Bei großen Neu- und Ausbauprojekten auf der Schiene ist vom Planungsbeginn bis zur Inbetriebnahme im Schnitt von bis zu 20 Jahren auszugehen", so eine Sprecherin der Deutschen Bahn. Derzeit seien mehr als hundert Großprojekte der DB in Planung und/oder im Bau.
Karriere dank Netzwerk und Familien-Bande?
Eine Studierende unterstellte Armin Laschet in der Sendung, dass er seinen beruflichen Werdegang ihren Recherchen zufolge vor allem seinen Mitgliedschaften in Studentenverbindungen und der Familie seiner Frau zu verdanken habe.
Zitat: "Nach meiner Recherche verdanken Sie ja viele ihrer Jobs u.a. als Chefredakteur und als Korrespondent ihrer Mitgliedschaft bei den katholischen Studentenverbindungen und auch der Familie ihrer Ehefrau. Und viele dieser, ja sagen wir mal Bundesbrüder, sitzen ja heute auch in Vorständen von großen deutschen Unternehmen. Und ich würde Sie jetzt gerne fragen, als Wählerin, wie wollen Sie mir versichern als potentieller Kanzler, dass jetzt auch zum Beispiel in Fragen (…) also Klimafragen zum Beispiel (…), dass Sie sich davon abgrenzen werden von diesen Verbindungen?"
Wir werfen zunächst einen Blick auf Armin Laschets beruflichen Lebenslauf.
Armin Laschet hat zwischen 1981 und 1987 in München und Bonn Rechts- und Staatswissenschaften studiert. Nach seinem ersten juristischen Staatsexamen hat er bei einem lokalen Münchner Radiosender ein Volontariat absolviert und anschließend als freier Journalist u.a. für den Bayerischen Rundfunk gearbeitet. Den Posten eines klassischen Korrespondenten oder Chefredakteurs – etwa bei einer überregionalen Tageszeitung, einem Radio- oder Fernsehsender – hatte er während seiner Tätigkeit als Journalist unseren Recherchen zufolge nicht inne. Dies suggerierte die Fragestellerin jedoch, ohne dies konkreter auszuführen.
Daher können hier nunmehr nur Mutmaßungen angestellt und keine Fakten durch Primärquellen erhärtet werden: So findet sich beispielweise auf der Webseite katholisch.de ein Beitrag aus April dieses Jahres, in dem es u.a. heißt: "Seinen Wunsch, nach dem Jura-Studium Journalist zu werden, setzte Laschet beim Bayerischen Fernsehen und dem Privatsender Radio Charivari um. Doch zog ihn die Liebe zum Aachener Dom, zu Karneval und Reitturnier ins Rheinland zurück. ‚Das ist für mich Heimat, Abendland, Europa‘, wie er erklärte. 1991 wurde er Chefredakteur der Kirchenzeitung für das Bistum Aachen. Von 1995 bis 1999 war er Geschäftsführer des Aachener Einhard-Verlags, ehe er ganz in die Politik wechselte."
Ähnlich gestaltet sich die Überprüfung der Unterstellung, Armin Laschet habe der Familie seiner Frau entscheidende Karriere-Sprünge zu verdanken. Da auch hier von der Fragestellerin während der Sendung keine konkreten Angaben gemacht wurden, auf welche Stationen im Lebenslauf Armin Laschets sie sich beruft, kommt diese Unterstellung einer Tatsachenbehauptung gleich, die nicht überprüfbar ist. Eine Erklärung für die Ausführungen der Fragestellerin könnte sein, dass sie bei ihren Recherchen zu Armin Laschets Werdegang auf einen Beitrag im Wochenmagazin "Der Freitag" aus dem Jahr 2019 gestoßen ist, der den katholischen Hintergrund des Unions-Politikers beleuchtet wurde.
Studentenverbindungen & Burschenschaften
Nachdem die Studierende ihre Frage formuliert hatte, hakte Armin Laschet nach: "In Klimafragen von Verbindungen abgrenzen oder was war die Frage?"
Antwort: "Nee generell. Dass Sie sich von diesen Verbindungen, die Sie durch diese Studenten… Burschenschaften, die Sie dadurch halt errungen haben…ich meine diese Studentenverbindungen sind ja fürs Leben. Oder?"
Richtig ist: Während seines Studiums trat Laschet zum einen der KDStV Aenania München und zum anderen der KDStV Ripuaria Bonn bei. Beide Studentenverbindungen gehören dem Cartellverband der Katholischen Deutschen Studentenverbindungen (CV). Das bestätigte uns auf Nachfrage der CR. Alle Verbindungen, die dem CV angehören sind farbentragend aber nicht schlagend. Bei den beiden Studentenverbindungen, denen Armin Laschet angehört, handelt es sich jedoch nicht um Burschenschaften. Was man untern einer Burschenschaft versteht, hat die Bundeszentrale für politische Bildung vor einigen Jahren ausführlich beschrieben: Burschenschaften: Geschichte, Politik und Ideologie | bpb Außerdem sind die Kolleginnen und Kollegen von "planet wissen" der Vielschichtigkeit des Themas auf den Grund gegangen und räumen in diesem Beitrag mit einigen Mythen und Halbwahrheiten auf.
Quellen:
https://archiv.cdu.de/system/tdf/media/dokumente/lebenslauf_laschet.pdf?file=1
https://www.freitag.de/autoren/wolfgang-michal/der-katholischste-von-allen
https://www.cartellverband.de/
https://www.kdstv-ripuaria.de/ripuaria/bekannte-mitglieder/
https://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtsextremismus/256889/burschenschaften
https://www.planet-wissen.de/gesellschaft/organisationen/studentenverbindungen/index.html